Zur Absichtsanfechtung einer Aufrechnungslage
BGH Urt. v. 22. April 2004 IX ZR 370/00
Zur Absichtsanfechtung einer Aufrechnungslage / Gesamtvollstreckungsverfahren
Problemstellung:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 11. November 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der M. GmbH (im
folgenden auch: Schuldnerin). Die Schuldnerin war im Baugewerbe tätig. Der Beklagte arbeitete bei einer Anzahl von Bauvorhaben als ihr Subunternehmer.
Am 29. Juli 1997 beliefen sich seine offenen Werklohnforderungen aus diesen Subunternehmeraufträgen auf 120.313,93 DM.
Am 3. August 1997 verkaufte und übereignete die Schuldnerin dem Beklagten einen Mobilbagger, den sie anschließend zurückmietete. Der Kaufpreis von 80.500 DM war am 20. August 1997 fällig. Er wurde nicht bezahlt.
Der Aufforderung des Klägers, den Kaufpreis für den Mobilbagger zu entrichten, ist der Beklagte durch Aufrechnung mit Gegenforderungen entgegengetreten. Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im Juli 1997 zahlungsunfähig gewesen. Dies habe der Beklagte gewusst. Er habe den Bagger lediglich erworben, um eine Sicherheit für seine Forderungen zu erhalten. Seine Aufrechnung sei deshalb nicht statthaft.
Die am 15. Januar 1999 erhobene Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt der Kläger den geltend gemachten Kaufpreisanspruch weiter.
Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:
Der BGH legt fest, dass nach seiner Rechtsprechung die Gläubiger benachteiligende Wirkung, die mit der Herstellung einer Ausrechnungslage eintritt, insolvenzrechtlich selbständig angefochten werden kann. Wenn sich nämlich der Gläubiger durch eine Rechtshandlung zugleich in eine Schuldnerstellung gegenüber dem Schuldner versetzt und so die Vorraussetzung für eine Aufrechnung begründet, wird die erklärte Aufrechnung durch Anfechtung wirkungslos. Die Forderung des Schuldners ist folglich nach wie vor durchsetzbar. Die Aufrechnungslage ist unabhängig von der insolvenzrechtlichen Zulässigkeit der Aufrechnung anfechtbar. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Herstellung der Aufrechnungslage im Sinne von § 10 Abs. 2 GesO rechtzeitig angefochten, nämlich innerhalb von 2 Jahren. Die Vorraussetzung der Absichtsanfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO liegen nach Auffassung des BGH vor. Der Verkauf war Gläubiger benachteiligend, denn die Gläubiger des Schuldners haben keinen verwertbaren Kaufpreisanspruch gegen den Beklagten erhalten. Es lag auch eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners und entsprechender Kenntnis des Beklagten hiervon vor. Dabei liegt im vorliegenden Fall ein inkongruentes Geschäft vor, welches ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen eines solchen Vorsatzes des Schuldners und der Kenntnis des Beklagten hiervon ist. Dem Beklagten waren die Kenntnis und Tatsachen bekannt, die auf die Inkongruenz des Geschäfts hinwiesen. Das Geschäft war dabei inkongruent, weil der Beklagte keinen Anspruch darauf hatte, seine Forderungen durch Aufrechnung zu befriedigen.
Kommentar:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist zu begrüßen. Sie stellt unmissverständlich klar, dass nunmehr auch die Aufrechnungslage anfechtbar ist, wenngleich die Aufrechnung insolvenzrechtlich im Sinne von § 7 Abs. 5 GesO zulässig ist. Die Entscheidung hat Bedeutung auch für die aktuelle Rechtsprechung nach der Insolvenzordnung, für die die gleichen Grundsätze gelten. Die Entscheidung reiht sich damit in die jüngere Rechtssprechung ein (vgl. BGHZ 145, S.245, 254, BGH Urteil vom 4. Oktober 2000 IX ZR 207 90, WM 2001, S. 22 108, 22 109 f. zu § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO). Zutreffend stellt das Gericht darauf ab, dass die Gläubigergemeinschaft keinen verwertbaren Vermögensgegenstand für die Übereignung des Mobilbaggers erhalten hat. Vielmehr wurde der Sache nach eine Insolvenzforderung des Beklagten durch die Übergabe des Mobilbaggers beglichen. Das ist unzulässig, weil im Zeitpunkt der Krise bereits der Gleichbehandlungsgrundsatz der Insolvenzgläubiger gilt, der durch die Insolvenzanfechtungsvorschriften, nunmehr §§ 109 ff. InsO, gesichert werden soll. Das Berufungsgericht freilich konnte diese Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen, weil vorgenannte zitierte jüngere Entscheidungen des Bundesgerichtshofes erst nach Verkündung des Berufungsurteils ergangen sind.
Dr. Kristof Biehl
Rechtsanwalt
Gregor-Mendel-Str. 4
14469 Potsdam
Telefon +49 331 200565-70
Telefax +49 331 200565-75